Ethische Grenzen beim Kinderwunsch oder Wohl dem, der die Entscheidung nicht treffen muss

Ich erinnere mich, dass wir bei Freunden zu Besuch waren, die keine Ahnung von unserer ungewollten Kinderlosigkeit hatten, und irgendwie das Thema Eizellspende zu Sprache kam. Mein Mann und ich hielten uns zurück, denn wir waren gerade am Punkt, an dem wir über Alternativen nachdachten, von denen wir nicht einmal geträumt haben, dass es sie gibt. Bei den Beteiligten - übrigens alles Männer - gab es gleich große Einigkeit darüber, dass niemand jemals eine Eizellspende in Betracht ziehen würde. Also dann würde Mann doch lieber kinderlos bleiben. So sprachen sie ihr Urteil, während ihre Kleinen im Wohnzimmer miteinander spielten.

 

"Wohl dem, der sich mit diesen Fragen nicht auseinandersetzen muss," habe ich damals gleich gedacht. Es ist leicht zu urteilen und sich festzulegen, was man alles nicht tun würde, wenn man nicht in die Versuchung kommt, weil es schon anderweitig geklappt hat. Es ist wesentlich schwerer, diese Option so kategorisch auszuschließen, wenn sie eine gute und realistische Chance auf ein Wunschkind bedeutet. Auch wenn die Samenspende sicherlich auch nicht ganz alltäglich ist, scheint sie weitaus weniger Berührungsängste auszulösen als eine Eizellspende. Für mich scheint es, als wäre eine Eizellspende für viele Menschen ethisch fragwürdiger.

 

Wenn es mit dem Wunschkind auf dem natürlichen Weg nicht klappt, stellen sich über kurz oder lang Fragen nach den Alternativen und damit auch nach unseren individuellen ethischen Grenzen. Für einige Menschen ist diese Grenze bereits bei einer Insemination erreicht. Nicht wenige empfinden es belastend, durch eine Insemination in den natürlichen Prozess einzugreifen. Die Vorstellung, ein Kind nicht in einem Liebesakt, sondern durch Unterstützung von Ärzten zu zeugen, schreckt sie ab. Für andere beginnt dies bei der in-vitro-Fertilisation, dem Versuch einer Eizellbefruchtung im Reagenzglas.  Doch was tun, wenn die Samenqualität nicht ausreicht oder gar kein Samen vorhanden ist, z.B. aufgrund von Azoospermie, und die Eizellanzahl und -qualität nicht ausreichen? Oder wenn für eine Single-Frau kein passender Partner in Sicht ist, sie sich dennoch sehnlichst ein Kind wünscht? Für manche Menschen ist hier die Grenze erreicht und sie versuchen sich mit ihrer ungewollter Kinderlosigkeit zu arrangieren oder denken über eine Adoption oder Pflegefamilie nach. Bei anderen kommen Samenspende, Eizellspende oder Embryonenspende in Betracht. Nicht alles ist in Deutschland möglich und erlaubt.

 

Ich finde, dass die deutschen Gesetze im Hinblick auf die Kinderwunschbehandlung uns zwar einen Orientierungsrahmen geben, aber nicht die ethischen Grenzen an sich bestimmen. Ob in Dänemark, Tschechien, Polen, Spanien oder Österreich - innerhalb der Europäischen Union gibt es viele Unterschiede bei den Möglichkeiten der Kinderwunschbehandlung. Es ist vermessen, wenn wir darüber urteilen, wo diese Grenze sein sollte, wenn wir selbst nicht nachvollziehen können, welches Leid mit einem unerfüllten Kinderwunsch verbunden sein kann. Ich finde aber auch, dass Menschen, die medizinische Möglichkeiten ausschöpfen, sich verantwortungsvoll mit ihrem Handeln auseinandersetzen und sich über mögliche Konsequenzen Gedanken machen sollten. Es gilt im Vorfeld zu überlegen, was das für die noch nicht geborenen Kinder bedeuten kann und sich mit den Forschungen auseinanderzusetzen, die es dazu gibt, zum Beipiel zur Identitätsbildung oder zur Gesundheit künstlich gezeugter Kinder. Was traue ich mir zu? Welche Konsequenzen, auch im Hinblick auf mein Kind, bin ich bereit zu tragen? Wie werde ich das Kind darüber aufklären? Diese Fragen ehrlich für sich zu beantworten hilft, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.

 

In diesem Sinne wünsche ich mir weniger Urteil und mehr Offenheit mit diesem Tabuthema.


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